Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan オーストリア現代文学ゼミナール
Miyuki Soejima Die Welt als Vexierbild: Raoul Schrotts Erstling Finis Terrae

Raoul Schrotts erster Roman Finis Terrae, das Ende der Erde, gehört zur postmodernen Entdeckungsliteratur Österreichs und ist wegen seiner äußerst komplexen Struktur nur schwierig zu erfassen. Komplex ist der Text, weil er eine große Zeitspanne abdeckt, d.h. vom vierten vorchristlichen Jahrhundert bis zur Gegenwart, es (zumindest) um vier Reisen in vier Himmelsrichtungen geht, es sich um sowohl fiktive als auch reale Personen einschließlich des Autors selbst handelt, und vor allem, weil der Autor durch geschickte Kunstgriffe, aus all den Erzählelementen ein komplexes Vexierbild entstehen lässt. Einige dieser Elemente sind: die erste europäische Reise in die Arktis, die archaischen Bräuche der Arktisbewohner, die Beziehung zwischen den Gezeiten und dem Mond, die Planetenbewegungen der 27 Sphären, die Afrikaexpedition des kolonialen Österreichs, die Flucht vor den Nazis, der menschliche Trieb zum Eros und zur Gewalt. Dieser Beitrag ist ein Annäherungsversuch an Schrotts vielschichtigen Erstling und er möchte zeigen, wie man den Roman trotz kopfzerbrechender Gedankenarbeit mit Genuß und Gewinn lesen kann.