Mit Herbert J. Wimmer kommt dieses Jahr ein Autor nach Japan, dessen in mehr als 30 Jahren entstandenes Werk eine kreative Fortschreibung der sprachexperimentellen Traditionen der Wiener Gruppe darstellt. Als Lebens- und Arbeitspartner der 2009 verstorbenen Wiener Autorin Elfriede Gerstl ist er gleichzeitig Auskunftsperson über eine eminent produktive Periode österreichischer Nachkriegsliteratur.
Wimmer ist ein Autor, der sowohl zwischen den Kunstformen als auch zwischen den literarischen Genres (und ihrer Rezeption) manövriert, eine kreative Schnittstelle zwischen Literatur und Kritik, Radiokunst, Fotografie, Collage und Zeichnung. Er thematisiert Wahrnehmungsprozesse ebenso wie Bewusstseinszustände, hat eine deutliche Affinität zum Kulinarischen und Biographischen, zum Urbanen und zum Vermittelten. Er ist in seiner radikalen Gegenwartsbezogenheit ein zutiefst geschichtsbewusster Autor und versteht es wie kaum ein anderer Avantgardist, Entlegenes zu verbinden: das Triviale und das Erhabene, das Undurchsichtige und das Intelligible, Mythos und Wissenschaft, Klatsch und harte Fakten, das Eindeutige und das Ambivalente, Zeitgenossenschaft und Weltverlorenheit.
Er erzählt und kommentiert, verdichtet, verflüssigt und modelliert; er konstruiert, zerlegt und setzt neu zusammen – Sätze wie Wörter; er kombiniert, variiert und permutiert; das Anagramm ist ihm nicht weniger vertraut als das Oxymoron, in der Formensprache manieristischer Dichtung ist er ebenso heimisch wie im (post)modernen Roman. In der Matrix seiner Textkonstruktionen stößt man auf Sprach- und Zahlenmagie, aber auch auf ihre beiläufige Relativierung. Seine Romane sind offene Schlösser, Aggregate, Installationen, die ebenso lustvoll im Erzählerischen verhaftet sind wie sie sich an dessen Brechung, Spiegelung, Unterwanderung oder Überschreitung versuchen. Gleichzeitig mit seinem lyrischen und erzählerischen Oeuvre hat Herbert J. Wimmer auch ein beeindruckendes Werk als Literatur- und Filmkritiker vorzuweisen.
Wimmer zählt im Zusammenhang deutschsprachiger Gegenwartsliteratur zu denjenigen Autoren, welche thematisieren, was unter den polierten Oberflächen zeitgenössischer Prosa- und Lyrikproduktion vor sich geht. Er erledigt also gewissermaßen die Arbeit, ohne die zeitgenössische Literatur gar nicht denkbar wäre. Eine intensivere Beschäftigung mit seinem Werk lohnt sich!
Der Autor
Herbert J. Wimmer, geboren 1951 in Melk, lebt seit 1971 in Wien, seit 1973 als Schriftsteller. Von 1973 bis zu ihrem Tod 2009 Freundschaft und Lebenspartnerschaft mit Elfriede Gerstl. Studium der Deutschen Philologie, Theaterwissenschaft, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Vergleichende Sozialgeschichte der Literatur. 1997 Mag. Phil. Realisationen radiofoner Werke (Hörspiele und Kunstradio- Produktionen für Rundfunkanstalten); literatur- und filmkritische Schriften. Fotografische Arbeiten, Zeichnungen, Tuschen, Collagen, Lineamente. Seit 1998 das gestisch- expressive Zeichnungs-Projekt: THE INFINITE DRAWING, seit 2006 das Text-, Foto- und Zeichnungsprojekt THE INFINITE PUZZLE.
Werke (Auswahl)
- WIENER FALTUNG sieben haiku-plissees, Erstveröfentlichung, exklusiv für das Nozawa-Seminar
- MEMBRAN, ROMAN; Sonderzahl Verlag, Wien 2013
- GRÜNER ANKER – 99 Gedichte; Klever Verlag, Wien 2012
- EINTRÄGE IN DIE ENZYKLOPÄDIE DES AUGENBLICKS – AUFSÄTZE UND VORLESUNGEN; Sonderzahl, Wien 2011
- GANZE TEILE – 101 Gedichte; Klever Verlag, Wien 2010
- KÜHLZACK & FLEXER, AGGREGAT ROMAN; Wien 2009
- NERVENLAUF – DIE TÜCKE DER OBJEKTE; Wien 2007
- gemeinsam mit ELFRIEDE GERSTL: LOGO(S) – ein schachtelbuch; Literaturverlag Droschl, Graz Wien, 2004
- AUTO STOP TEMPO TEXTE; Wien 1999
- DAS OFFENE SCHLOSS, AMBIVALENZ ROMAN; Wien 1998
- UNSICHTBARE FILME – EIN RELATIVER ROMAN; Wien 1997
- INNERE STADT: ROMAN; Sonderzahl, Wien 1991
Pressestimmen
Franz Schuh in: Die Zeit
Christiane Zintzen über „das offene schloss“, in: Neue Zürcher Zeitung
Anmeldung
Die Anmeldung erfolgt per Online-Anmeldeformular.
Die Teilnahmegebühr beträgt 33.000 Yen (Achtung: Studierende und Lehrbeauftragte können, sofern sie Mitglieder der Gesellschaft für österreichische Literatur in Japan sind, direkt bei der Gesellschaft eine Unterstützung beantragen.)
Anmeldegebühr: 5000 Yen. Nach Überweisung der Anmeldegebühr mit Zahlschein der Post sind Sie als TeilnehmerIn vorgemerkt. Postgirokonto: Ousutoria Gendai Bungaku Seminaru 00170-0-49707.
Tragen Sie bitte Ihre genauen Daten (Adresse/Mail/Position) im Online-Anmelde- formular ein, damit wir Ihnen die Seminarmaterialien zuschicken können. Anmeldung bis Ende Juli 2013. Bei Nichtteilnahme kann die Anmeldegebühr leider nicht rückerstattet werden.
Hier geht‘s zum Download des Informationsblatts (442KB).
Herbert J. Wimmer ROTOPOST ROTOSPOT LICHT & LITERATUR AUFNAHMEN
Mehr Bilder von der ROTOPOST ROTOSPOT Ausstellung im Literaturhaus Wien (16. Jänner – 21. März 2013).
Wiener Faltung, ein versuch in kettenhaikus.