Das schweigende Kind (2012) von Raoul Schrott ist eine sprachlich dichte und voll von farbenreichen Ereignissen erfüllte Erzählung. Ein Maler sitzt in einem Sanatorium an der Grenze der Schweiz und bringt dort seine Lebensgeschichte zu Papier. Der Adressat ist seine Tochter, die ihre Mutter dem Vater zu entziehen versuchte. Die Tochter – „das schweigende Kind“ – soll die Umstände erfahren, die zum Tod der Mutter führten. Der Monolog des Vaters beginnt mit dem literarischen Bonmot: „Erzählenswertes ist wohl nur Wirkliches. Um dir jedoch die Wahrheit sagen zu können, muss ich Zeugnis alles Falschen ablegen.“ Die Aufzeichnungen des sowohl psychisch als auch körperlich erkrankten Vaters enthalten eine vielschichtige Palette von Themenfelder wie Sorgerecht, Trennungskind, Geschlechterkampf, Lust und Gewalt, Kunst und ihre Grenzen. Über detaillierte oder psychologische Prozesse schweigt sich der Text zwar aus, aber der Erzählstoff, der von der Erzählung nur fragmentarisch entwickelt wird, regt zum weiteren spekulieren an.