Tristan da Cunha – diese heute als ‚entlegenster Ort der Welt’ bekannte Insel im Atlantik ist Schauplatz des gleichnamigen Romans von Raoul Schrott. In ihm werden in offenkundiger Anlehnung an das mittelalterliche Narrativ von Tristan und Isolde in Montagetechnik vier Paargeschichten erzählt, die – so unterschiedlich ihre Kontexte im einzelnen gestaltet sind – eines gemeinsam haben: Sie handeln von der Schwierigkeit, in einer extrem unwirtlichen, ja feindseligen Umgebung eine Liebesbeziehung zu leben. Die Exterritorialität der Tristanminne wird so in einem Raumkonzept abgebildet, das zudem eine seit Thomas Morus‘ titelgebendem Roman etablierte literarische Tradition aufruft, das Leben auf einer entlegenen Insel mit der Darstellung utopischer Gemeinschaften zu verknüpfen. Der Vortrag wird diesen Zusammenhang in den Mittelpunkt stellen. Dafür wird untersucht, ob und inwiefern der mittelalterliche Roman und seine moderne Adaptation utopische Gehalte transportieren, und es wird die Frage diskutiert, woran die Liebesbeziehungen sowohl in Schrotts Tristan da Cunha als auch in Gottfrieds Tristan scheitern.