32. Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan
オーストリア現代文学ゼミナール
28. Oktober 2023
Sophia Universität, Tokio
Mit Milena Michiko Flašar
Stille Wasser sind tief: Bemerkungen zur Dramaturgie des Hikikomori-Romans Ich nannte ihn Krawatte
Shihoko Ora

Der Roman Ich nannte ihn Krawatte (2012) markiert den (internationalen) Durchbruch der Autorin Milena Michiko Flašar. In meinem Referat will ich nachzeichnen, wie die Autorin das innere Drama eines japanischen Hikikomori* erzählt, indem sie die Entfaltung der filigranen Innenwelt dieses Menschen geschickt mit dem totalen Entzug und der kontrollierten und schrittweisen Zufuhr äußerer Ereignisse verflechtet und auf diese Weise ein allgemein gültiges Bild einer von allen Seiten bedrohten menschlichen Existenz zeichnet.

*Hikikomori: So werden in Japan Personen bezeichnet, die sich weigern, das Haus ihrer Eltern zu verlassen, sich in ihrem Zimmer einschließen, und den Kontakt zur Familie auf ein Minimum reduzieren. Die Dauer variiert. Manche verbringen bis zu fünfzehn Jahre oder sogar länger als Eingeschlossene. Wie viele Hikikomoris es gibt, liegt allerdings im Dunkeln, da viele von ihnen aus Angst vor Stigmatisierung verschwiegen werden. Schätzungen zufolge dürften an die 100.000 bis 320.000 vor allem junge Menschen betroffen sein. Als hauptsächlicher Grund gilt der große Leistungs- und Anpasssungsdruck in Schule und Gesellschaft. (Zitiert nach: Ich nannte ihn Krawatte, Roman, btb: München 2014, S. 139)