Das 30. Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur findet in diesem Jahr wieder online statt, und zwar am 11. (Sa) und 12. (So) Dezember 2021 auf Zoom, jeweils von 16:00h bis 20:00h. (Anmeldung ist unbedingt erforderlich!)
Seminargast in diesem Jahr ist Julya Rabinowich, die nicht nur als Schriftstellerin, sondern auch als Malerin, Kolumnistin und Dolmetscherin tätig ist.
Julya Rabinowich entstammt einer russsisch-jüdischen Familie und wurde 1970 in Leningrad (heute Sankt Petersburg) geboren. Ihre Mutter Nina Werzhbinskaja-Rabinowich ist Malerin und Designerin, ihr Vater Boris Rabinovich war auch Maler. Sie emigrierte 1977 mit den Eltern nach Wien und studierte ab 1993 zuerst an der Universität Wien Übersetzen und Dolmetschen, und dann an der Universität für Angewandte Kunst Malerei und Philosophie.
Seit 2007 veröffentlicht sie Theaterstücke und Romane. Ihr erstes Stück nach der Grenze wurde im Wiener Kulturzentrum WUK als Theaterprojekt, das „das Zusammenleben verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen in Wien“ (zit. nach dem Werbetext) thematisiert, uraufgeführt. Seitdem stehen im Zentrum ihres Werkes immer die Themen Grenzüberschreitung und Dialog der Kulturen in einer Immigrationsgesellschaft. Trotzdem wehrt sie sich dagegen, als Vertreterin der „Migrationsliteratur“ bezeichnet zu werden, zumal ihr Werk sich durch eine spezielle Themenfelder übersteigende sprachliche Schönheit auszeichnet, die breite Anerkennung findet. Ein Auszug aus ihrem dritten Roman Die Erdfresserin (2011), der das Schicksal einer illegalen Migrantin aus Osteuropa in Wien beschreibt und dessen lyrische Sprache hoch geschätzt wurde, stand auf der Shortlist des Ingeborg-Bachmann-Preises. Ihr fünfter Roman Dazwischen: Ich (2017), der von dem Leben eines 15-jährigen Flüchtlingskinds erzählt, wurde mit Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Das formal anspruchsvollste Buch dieser Autorin, die Russisch als Erstsprache erlernte und all ihre Bücher auf Deutsch geschrieben hat, ist das Romandebut Spaltkopf (2008), das auch im Zentrum unseres Seminars stehen wird.
Julya Rabinowich weiß das höchst aktuelle Thema von Migration und Flucht mit kraftvollem und überzeugendem Realismus darzustellen. Dabei handelt es sich um ein Thema, das in den letzten Jahren in den Ländern der EU eine zunehmende gesellschaftlliche Spaltkraft entwickelt hat. Julya Rabinowich liefert uns eine Innenansicht. Diese basiert nicht nur auf eigener Erfahrung der Autorin, die mit sieben Jahren aus Russland nach Österreich kam, sondern auch auf ihrem Engagement für die Flüchtlingshilfe. Von 2006 bis 2012 hat sie nämlich als Dolmetscherin für Flüchtlinge bei Hemayat (Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende) und dem Diakonie-Flüchtlingsdienst gearbeitet, also für zwei Organisationen, die sich für die Unterstützung und Integration von Asylsuchenden, Flüchtlingen und Migranten in Österreich engagieren. Die Autorin, deren Werke zum Teil auch der Gattung Kinder- und Jugendbuch zuzuordnen sind, beschäftigt sich in ihrer Literatur auch mit den Enfant terribles der österreichischen Kulturgeschichte wie Alma Mahler oder Oskar Kokoschka.
Nebenbei schreibt Julya Rabinowich als Kolumnistin seit vielen Jahren über aktuelle Themen, und zwar für österreichische und deutsche Tages- und Wochenzeitungen, darunter Der Standard, Der Kurier und Die Zeit.
Call for Papers
Auf dem 30.Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur auf Zoom (11.und 12. Dez. 2021) diskutieren die Seminarteilnehmer:innen das Werk von Julya Rabinowich im Dialog mit der Autorin. Vorschläge für Referate werden ab sofort entgegengenommen. Zusätzlich zu Arbeiten, die sich mit einem Einzelwerk befassen bzw. einen bestimmten Teilaspekt vertiefen, und solchen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Seminar-Buch (Spaltkopf) beschäftigen, sind auch Überblicksreferate willkommen, die grundsätzliche Fragestellungen aufwerfen. Vorträge sollten zwischen 20 und 25 Min. dauern, das Abstract maximal 150 Wörter lang sein.
Kontakt
Masahiko Tsuchiya (tsuchiya (at) ngu.ac.jp), Kawashima Takashi (kawashima.takashi.7v (at) kyoto-u.ac.jp)
Werke
Theater und Uraufführungen
2007: nach der Grenze, WUK, Wien
2008: Romeo + Julia, Schauspielhaus Wien
2008: Orpheus im Nestroyhof, Theater Nestroyhof Hamakom, Wien
2009: Fluchtarien. Monolog für drei Stimmen und eine Tastatur, Volkstheater, Wien
2010: Stück ohne Juden, Volkstheater, Wien
2010: Auftauchen. Eine Bestandsaufnahme, Volkstheater, Wien
2014: Tagfinsternis, Landestheater Niederösterreich, Regie Martin Schleinzer
2018: Surfacing: An Inventory of Helplessness, Expats Theatre Washington DC
Romane
Spaltkopf. Deuticke Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-552-06146-0.
Herznovelle. Deuticke Verlag, Wien 2011, ISBN 978-3-552-06158-3.
Die Erdfresserin. Deuticke Verlag, Wien 2012, ISBN 978-3-552-06195-8.
Krötenliebe. Deuticke Verlag, Wien 2016, ISBN 978-3-552-06311-2.
Dazwischen: Ich. Hanser Verlag, München 2016, ISBN 978-3-446-25306-3.
Hinter Glas. Hanser Verlag, München 2019, ISBN 978-3-446-26218-8.
Auszeichnungen und Stipendien
2004: Arbeitsstipendium der Stadt Wien
2006: Stipendium der Wiener Wortstätten
2009: Arbeitsstipendium des BKA
2009: MiA – award
2009: Rauriser Literaturpreis
2010: Elias-Canetti-Stipendium
2011: Shortlist Ingeborg-Bachmann-Preis
2012: Elias-Canetti-Stipendium
2013: Marianne-von-Willemer-Preis
2014: Wiener Frauenpreis
2016: Luchs des Monats (Dezember 2016) für Dazwischen: Ich
2017: Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis für Dazwischen: Ich
2017: Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis für Dazwischen: Ich
2018: Friedrich-Gerstäcker-Preis für Dazwischen: Ich[6]
Das Seminarbuch
Spaltkopf (2008)
„Gleich den Werken anderer auf Deutsch schreibender AutorInnen aus Süd- und Osteuropa (Alina Bronsky, Melinda Nadj Abonji, Marica Bodrožić, Jagoda Marinić) dominiert auch im Roman „Spaltkopf“ die weibliche Figurenkonstellation […]. Das Schwinden der männlichen Figuren im „Spaltkopf“ […] wird mit dem Tod des Vaters Lev auf die Spitze getrieben und lässt nach der Bedeutung dieser Konstellation fragen. Während die männlichen Protagonisten mit der (verdrängten) Vergangenheit und verlassenen Heimat assoziiert werden, stehen die weiblichen Figuren für das Ankommen in der Fremde. Auffällig in diesem Zusammenhang ist die Geburt der behinderten Tochter, denn die Behinderung und Krankheit zeichnen sich mittlerweile als ein neues Motiv der interkulturellen Literatur ab.
Neben den bereits erwähnten Themen und Motiven sei auf die zur Sexualität hin sich steigernde Körperlichkeit verwiesen. In diesem Kontext korrespondieren viele Textstellen im „Spaltkopf“ mit Werken Yoko Tawadas und Emine Sevgi Özdamars. Einen für den Leser interessanten, gleichzeitig aber auch anspruchsvollen Aspekt stellt der Rückgriff der Autorin auf die russische Folklore dar, die sich bereits im Titel des Romans niederschlägt.[…] Beachtenswert ist auch die Mystik der Zahl Drei, die an die Kabbala denken lässt.
[Julya Rabinowich] ist eine Sprachkünstlerin. Immer wieder erkennt der Leser in dieser Prosa auch die Malerin Rabinowich, wie etwa in der Beschreibung des russischen Salats „Hering im Pelz“, mit der sie ein verbales Stilleben schafft. Stellenweise hat man den Eindruck, die Sprache und der Stil dieser Schriftstellerin vermögen das Lesetempo zu bestimmen: Mal sind es kurze abgehackte Sätze, die wie ein Staccato gehämmert sind, mal wiegt sich der Leser in die gleichmäßig-rhythmischen, melodischen und lyrisch anmutenden Passagen ein.“ (Natalia Blum-Barth, in: literaturkritik.de Nr. 10, Oktober 2011, https://literaturkritik.de/id/15957.)
Links
http://www.julya-rabinowich.com/
https://de.wikipedia.org/wiki/Julya_Rabinowich
https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/julya-rabinowich/
https://austria-forum.org/af/Biographien/Rabinowich%2C_Julya
https://www.perlentaucher.de/nsuche?q=julya+rabinowich&search_type=1
Anmeldung
Anmeldungen ab sofort. Abgabetermin für das Abstract ist der 15. November. Zur Anmeldung.
*「オーストリア現代文学ゼミナール」への参加条件は以下の通りです:
Die Teilnahmegebühr beträgt 2000 Yen (1000 Yen für Studierende). Nach Überweisung der Teilnahmegebühr mit Zahlschein der Post sind Sie als TeilnehmerIn vorgemerkt und erhalten einige Tage vor dem Seminar die Zugangsdaten für das Zoom-Meeting. Postgirokonto: Ousutoria Gendai Bungaku Seminaru 00170-0-49707.
Da der Vorrat an Seminar-Büchern beschränkt ist, können wir dieses nur den ersten vierzig Angemeldeten (inklusive Rechnung für die Anmeldegebühr) per Post zuschicken (Achtung: Zusendung nur an japanische Postanschriften!). Alle anderen TeilnehmerInnen sind für die Beschaffung des Seminar-Buchs selbst verantwortlich und erhalten von uns nur eine Rechnung in Höhe der Teilnahmegebühr.
Tragen Sie daher bitte unbedingt Ihre genauen Daten (Adresse/Mail/Position) im Online-Anmeldeformular ein.
Zoom-Seminar | |
Samstag, 11. Dezember 2021 | |
16:00 | Begrüßung Masahiko Tsuchiya |
16:05 | Literarische Psychogramme aus dem Labyrinth der Globalisierung. Zum Werk von Julya Rabinowich. Natalia Blum-Barth |
16:25 | Diskussion |
16:35 | Gibt es einen "Spalt in der Dichtung", ein außerhalb der Sprache? Figuren der Heimsuchung und des Einfindens in Julya Rabinowichs Spaltkopf-Text. Thomas Wallerberger |
16:55 | Diskussion |
17:05 | Orpheus - gespaltene Orte Nora Zapf |
17:25 | Diskussion |
17:35 | Diskussion in Breakoutrooms mit den Vortragenden |
17:50 | Pause |
18:00 | Elisabeth Scharangs Film Herzjagen als „Antwort“ auf die Herznovelle Cezar Constantinescu |
18:20 | Diskussion |
18:30 | Wer ist Baba Yaga? Yutaka Kunishige |
18:50 | Diskussion |
19:00 | Diskussion in Breakoutrooms mit den Vortragenden |
19:15 | Pause |
19:30 | Kurze Einführung und Lesung Julya Rabinowich |
Sonntag, 12. Dezember 2021 | |
16:00 | Alma Mahler-Werfel und die Folgen Leopold Federmair |
16:20 | Diskussion |
16:30 | Alma in Krötenliebe Christian Zemsauer |
16:50 | Diskussion |
17:00 | Diskussion in Breakoutrooms mit den Vortragenden |
17:15 | Pause |
17:30 | Über „Dazwischen: ich“ von Julya Rabinowich Naoko Hosoi |
17:50 | Diskussion |
18:00 | Die Faszination der femme fatale in Rabinovichs „Krötenliebe“ Lina Bittner |
18:20 | Diskussion |
18:30 | Diskussion in Breakoutrooms mit den Vortragenden |
18:45 | Pause |
19:00 | Werkstatt-Gespräch und Lesung Julya Rabinowich |