Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan オーストリア現代文学ゼミナール
Minami Miyashita Wandel, Verlust und Wiedergeburt – Zwischenmenschlichkeit als interkulturelle Ethik in Sechzehn Wörter

Der Roman Sechzehn Wörter besteht aus sechzehn Kapiteln. Die einzelnen Kapitelüberschriften bestehen aus je einem persischen Wort. Die besondere Tiefe dieser mit fremd anmutenden Schriftzeichen geschriebenen und unübersetzt dastehenden Wörter erschließt sich erst durch die Erzählung der Erfahrungen von Mona, der Protagonistin, die zwischen der iranischen und der deutschen Kultur aufwächst. Die Geschichten, die diese Wörter miteinander verbinden, sind von kulturellen Konflikten und emotionaler Intensität geprägt. Durch ihre episodische Verknüpfung entsteht ein Bedeutungsnetzwerk, in dem jedes Wort durch seine Beziehungen zu den anderen an Gewicht gewinnt.
Zentrale Themen des Romans sind Wandel, Verlust und Wiedergeburt. Besonders prägend sind Monas Erinnerungen an ihren verstorbenen Vater. Als Maoist war er ein leidenschaftlicher Leser von Konfuzius, und auch Mona beginnt, dessen Spruchsammlungen zu studieren. Dieses östliche Konzept bleibt für Mona bedeutsam: Während die westliche Ethik auf Rationalität, Unabhängigkeit und Individualität beruht und die persische Ethik durch konsequente Ergebenheit gegenüber Gemeinschaft und Gott gekennzeichnet ist, gründet die östliche Ethik auf flexiblen Beziehungen, die Wandel und Ambiguität des Menschlichen zulassen. Indem Mona diese Ethik der Zwischenmenschlichkeit aufnimmt — die sich sowohl von iranischen als auch von deutschen Wertesystemen unterscheidet —, lernt sie, Veränderungen und Verluste in ihrer Familie und ihrem Umfeld zu akzeptieren. So erfährt sie eine persönliche Wiedergeburt: Sie ist nicht länger eine Heimatlose ohne kulturelle Verankerung, sondern erfährt eine Wiedergeburt als Kosmopolitin.

Programm
Sophia-Universität, Tokyo (Yotsuya-Campus, Bibliotheksgebäude, Raum L-821) 
Samstag, 08. November 2025
10:00Begrüßung
10:15Die Literatur von Nava Ebrahimi – ein Überblick Walter Vogl
11:00Lesung aus der Erzählung Der Cousin Nava Ebrahimi
11:15„Transnationale Literatur“ im deutschsprachigen Raum und Nava Ebrahimi Masahiko Tsuchiya
12:00Mittagspause
13:30Lesung 1 aus Sechzehn Wörter Nava Ebrahimi
13:45Sechzehn Wörter als Schlüssel zu einer verborgenen Welt – Die poetisch-politische Tragweite des Romans Sechzehn Wörter Shihoko Ora
14:30Lesung 2 aus Sechzehn Wörter Nava Ebrahimi
14:45Im Anfang war und bleibt das Wort – Bemerkungen des japanischen Übersetzers von Sechzehn Wörter Shinichi Sakayori
15:30Pause
15:45„Bisschen sehr dramatisch“: Eine Haltung gegen den Neo-Orientalismus? – Bemerkungen zur Literatur Nava Ebrahimis Kyoko Tokunaga
16:30Lesung aus Das Paradies meines Nachbarn Nava Ebrahimi
16:45Gespräch mit Nava Ebrahimi, im Anschluss Q&A-Session Cezar Constantinescu, Walter Vogl, Nava Ebrahimi
Sonntag, 09. November 2025
10:00Begrüßung
10:05Wandel, Verlust und Wiedergeburt – Zwischenmenschlichkeit als interkulturelle Ethik in Sechzehn Wörter Minami Miyashita
10:50Wer ich geworden wäre, wenn alles ganz anders gekommen wäre Nava Ebrahimi
11:05Pause
11:15Kommentar zu Hintergrund und Funktionen des Motivs „kindlicher Pietät“ in Nava Ebrahimis Roman Sechzehn Wörter Masanori Manabe
12:00Lesung 1 aus dem neuen Roman Und Federn überall Nava Ebrahimi
12:15Transkulturelle Welt im Kleinen – Personenporträts in Nava Ebrahimis Roman Und Federn überall Christian Zemsauer
13:00Lesung 2 aus Und Federn überall Nava Ebrahimi
13:15Ende des Seminars