Das Oeuvre der 1978 in Theran geborenen Nava Ebrahimi ist äußerst vielfältig. Neben bisher drei Romanen, erzählerischen Texten, einem Werk mit poetologischem Charakter, Essays und Zeitungs-Kolumnen hat sie auch Texte zum Thema Mutterschaft, ein mehrteiliges Hörspiel-Feature sowie eine Art Arbeitsbuch mit Erinnerungs-Texten über ihre Kindheit und Familie mit dem Ziel, „Generationen zu verbinden“ verfasst. Als Tochter iranischer Migranten, einer monarchistisch eingestellten Mutter und eines Vaters, der Kommunist war, ist sie bereits im Kleinkindesalter nach Deutschland gekommen. Deutsch ist ihre Zweitsprache, die sie in Wort und Schrift virtuos beherrscht, oft über ihre Muttersprache hinaus. Ziel dieses Vortrages ist es zu zeigen, dass Migration zwar ein zentrales Thema ihrer Werke ist, Ebrahimi sich jedoch fest in der deutschsprachigen und internationalen Gegenwartsliteratur verankert findet. Ihre Texte verbinden Migrantenschicksale mit Referenzen zu Pop- und Jugendkultur und werfen universelle moralische Fragen auf. Sie nutzt klassische Motive wie das des Kuckucks- oder Findelkindes, integriert deutsche Erinnerungskultur und bewegt sich mühelos zwischen tragischen, emotionalen und distanzierten, kühlen Registern. Ihr Stil kann abrupt von ernster Tiefe in leichtfüßige, komödiantische Töne wechseln. Ihre Themen erlauben auch postkoloniale Analysen, z. B. zu Orientalismus oder Diaspora. Wie die 2021 mit dem Bachmann-Preis ausgezeichnete Erzählung „Der Cousin“ gleichsam exemplarisch vorführt, praktiziert Ebrahimi einen hybriden internationalen Crossover-Stil, der Dub- und Performance-Elemente miteinbezieht. Auch Autoren wie Zadie Smith oder Salman Rushdie weben in ihren Werken Referenzen, Zitate und kulturelle Echos ein, die an die Art erinnern, wie Dub-Produzenten mit vorhandenen Tracks arbeiten. Ebrahimis Texte stehen in der Tradition von Pop und Postmoderne und zeichnen sich durch leicht begehbare Oberflächen und eine komplexe Konstruktion sowie vielschichtige Subtexte aus. Ihr Debütroman Sechzehn Wörter (2017) ist um ein Sprachgitter aus sechzehn persischen Ausdrücken konstruiert, während ihr aktueller Roman Und Federn überall (2025) einer Struktur der Verschachtelung folgt, die narrative Ebenen kunstvoll verwebt.