In der Entstehung einer Vielzahl von Gedichten Karl Lubomirskis spielt das Unterwegssein eine große Rolle. Sie sind auf Dienstreisen in Italien entstanden, abends in Hotelzimmern. Auch Spuren von Aufenthalten in Nord- und Südamerika finden sich in den Gedichten – und vielfache Japan-Bezüge. Den massivsten Block nnerhalb des Prosawerks von Lubomirski bilden Reisetexte, die den Autor in Nordafrika und Ägypten, auf der arabischen Halbinsel und im Iran, in Zentralasien sowie in Russland unterwegs zeigen. Es handelt sich dabei um im klassischen Sinn empfindsame Reisen, poetische Anrufungen des Genius loci, die stellenweise wirken, als wären sie aus der viktorianischen Zeit zu uns gekommen. Doch Lubomirskis Travelogues/Reiseberichte sind im Kern Essays, die sich der Form des Reisetexts bedienen, um ihre Inhalte leichter an die Leser zu bringen. In Ihnen geht es um den Zusammenhang der Kulturen untereinander sowie um die Fluchtlinien aus dem Altertum in die Gegenwart. Vieltausendjährige Geschichte ist in diesen Texten so allgegenwärtig, dass sie beinah den Blick auf die Menschen in den bereisten Ländern verstellt. In Lubomirskis Reisetexten werden aber auch ästhetische und politische Fragestellungen behandelt, aus deren genauer Lektüre sich eine Art Poetologie dieses Autors rekontruieren lässt. Mein Vortrag soll zeigen, auf welch komplexe Weise diese Travelogues mit Lubomirskis lyrischem Werk verflochten sind.

Walter Vogl beschäftigt sich mit Gegenwartsliteratur und ist Professor für German Studies an der Handelswissenschaftlichen Fakultät der Keio Universität.

Aus Zeitgründen wurde das Referat von Walter Vogl und das Werkstattgespräch zusammengelegt.