Man hat gesagt, für den Roman sei bezeichnend, dass er anders als die anderen literarischen Gattungen seine eigene Poetologie und Rechtfertigung enthalte. Das gilt auch für Setz’ Die Stunde zwischen Frau und Gitarre. Der 1000seitige Roman gibt Hilfestellungen für sein Verständnis und erläutert das behandelte Problem. Wichtig ist in dem Zusammenhang die Erinnerung Natalies an ein länger zurückliegendes Ereignis: an den Todeskampf des Hundes ihrer Freundin, an das krampfartige Aufblähen der Pfoten und des Bauchraums, an die pralle Starre seines Körpers und die dann folgende plötzliche Entspannung. „Der Tod probierte den kleinen Pudel an wie einen Handschuh“, denkt sie, stutzt – und fragt sich, ihre Hand in den Nacken legend: „Woher kam dieses Bild? War es von selbst in ihr entstanden? Hatte es die Schulfreundin damals erwähnt? Oder war es ihr erst heute eingefallen, jetzt, in diesem Augenblick. Die Zeit wurde unwirklich.“ (S.807) Auf diese Fragen weiß sie keine Antwort. Stattdessen denkt sie an Hollberg, ihren scheinbaren Gegenspieler, den sie durch ihre Handbewegung aber unwillkürlich imitiert – und fragt sich, ob er wohl „dasselbe tat? Über Bilder nachdenken.“ Damit ist das Thema benannt, das der Roman auf vielen Ebenen entfaltet. Er enthält nicht nur Bilder (Fotographien und Zeichnungen), in ihm wird auch mehrfach von solchen erzählt und ihre Wirkung beschrieben. Er denkt nach über die Differenz von Darstellung und Dargestelltem. Und dabei geht es nicht nur um Gegenstände der darstellenden Kunst, sondern eben auch um bildliche metaphorische Rede, die für die menschliche Bewusstseinsbildung und wie selbstverständlich auch für den Roman selbst elementare Bedeutung hat. Der Titel exponiert das Problem und verdeutlicht die besondere Qualität des die Überlegungen leitenden Blickwinkels, indem er die Differenz der beiden Elemente des Vergleichs (‚Frau‘ und ‚Gitarre‘) nicht räumlich, sondern durch das Pars pro toto ‚Stunde‘ zeitlich bestimmt.