Mit ihrem 2011 erschienenen Roman „Stillbach oder Die Sehnsucht” scheint die Autorin Sabine Gruber ein Thema aufgegriffen zu haben, das mißverstanden werden könnte als ein abgenutztes: Der innere Konflikt einer Südtirolerin, die grenzüberschreitend in zwei Welten, der deutschsprachigen und der italienischen, lebt und eine neue Identität zu konstruieren sucht. Nahe liegt in diesem Zusammenhang nicht nur der Erstlingsroman derselben Autorin, „Aushäusige“ (1996), sondern auch „Die Walsche“ (1982) von Joseph Zoderer. Dieser, der als vierjähriges Kind wegen der so genannten Option* mit seiner Familie Südtirol verließ, um dann in der Nachkriegszeit wieder heimzukehren, verwehrt sich aber konsequent dagegen, dass seine Texte als „Südtirolliteratur“ gelesen werden. Bestimmt war es auch nicht die Absicht von Gruber, einen „(Anti-)Heimatroman“ zu schreiben. In meinem Vortrag geht es voraussichtlich darum, vergleichend zu klären, welche Funktionen die Südtirolbezüge in den Texten der beiden AutorInnen haben, was für Bedeutungen die Auseinandersetzung mit der Geschichte bei ihnen hat. Dabei möchte ich auch auf die Rezeptionsunterschiede zwischen drinnen, also in (Süd-)Tirol, und draußen, also außer Landes eingehen.
* „Die Option bezeichnet eine von den beiden faschistischen Diktaturen Italien und Deutschland zwischen 1939 und 1943 erzwungene Wahlmöglichkeit für deutschsprachige Südtiroler und Ladiner, ihre Südtiroler Heimat zu verlassen und die Option für Deutschland auszuüben (Optanten) oder in Südtirol zu verbleiben (Dableiber), wo sie jedoch weiterer sprachlicher und kultureller Unterdrückung und Italianisierung ausgesetzt waren.” (Zitiert nach Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Option_in_Südtirol)