Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan オーストリア現代文学ゼミナール
Shihoko Ora Den Toten das Leben zurückgeben – Letzte Dinge in Sabine Grubers Roman „Über Nacht”

Sabine Grubers Buch „Über Nacht” (2007) ist ein absolut geglücktes Beispiel eines Romans, in dem der der Eschatologie zugehörige Bereich des Todes und damit zusammenhängende Gedanken über das Schicksal, den Zufall und den Sinn des Lebens mit allen „literarisch” denkbaren Mitteln darzustellen versucht werden. Das Unsagbare, objektiv und logisch nicht Erklärbares wie Gefühle, Gedanken, existenzielle wie ethische Fragen werden durch die Fiktionalität der Literatur, wechselnde Erzählperspektiven, mehrschichtige Zeit- und Raumkonstruktionen u.a. für den Leser intuitiv erfahrbar gemacht.

Im Roman werden die Geschichten von Mira und Irma erzählt. Die zwei Protagonistinnen kennen einander nicht. Begonnen wird mit der Geschichte Miras in Ich-Form, danach folgt diejenige Irmas in der dritten Person. Es folgt ein stetiger Wechsel zwischen diesen beiden Perspektiven.
Mira arbeitet in Rom als Pflegerin in einem Altersheim und stirbt bei einem Autounfall. Irma wohnt in Wien, ist Dialysepatientin und wird eines Nachts während eines Albtraums angerufen: Sie bekomme eine neue Niere – und erhält so gleichsam „über Nacht” eine zweite Chance, ein zweites Leben.
Der Roman endet mit folgendem Gedanken von Irma: „Ich werde mir meine Tote erfinden. Ich muss ihr das Leben zurückgeben. (…) Mira, dachte Irma; sie tastete nach ihrem Transplantat. Ich nenne sie Mira.” Man erkennt am Ende des Romans, dass das Romanende eigentlich der Beginn der Geschichte sein sollte. Warum muss so erzählt werden? In meinem Referat wird die Notwendigkeit dieser Erzählstruktur im thematischen Zusammenhang auf verschiedenen Ebenen untersucht.

Programm
Nozawa Onsen
Freitag, 14. November 2014
18:00Abendessen
19:30Gläserne Klarheit, poetische Verdichtung: Einführung ins Werk von Sabine Gruber Walter Vogl
20:15Erste Lesung Sabine Gruber
Samstag, 15. November 2014
09:30Südtirol-Bilder in der Literatur aus Südtirol – ein Vergleich von Joseph Zoderer und Sabine Gruber Atsushi Imai
10:00Überall fremd – Sabine Grubers Roman „Aushäusige“ Leo Schlöndorff
10:30Zweite Lesung Sabine Gruber
11:00Wassermassen, die dem Tod zuströmen – Über den Roman „Die Zumutung” Natsuno Tokunaga
11:30„Die Sprache schneit, unablässig schweigt sie Neues hervor, wirbelt an den Rändern" – Über die Lyrik Sabine Grubers Kyoko Tokunaga
12:15Mittagessen
15:00Den Toten das Leben zurückgeben – Letzte Dinge in Sabine Grubers Roman „Über Nacht” Shihoko Ora
15:30Organtransplantation, Hirntod und Anthropotechnik – Anmerkungen zur Debattte in Japan Wolfgang Herbert
16:30Werkstattgespräch Sabine Gruber, Masahiko Tsuchiya, Shinichi Suzuki
17:30Dritte Lesung Sabine Gruber
18:30Abendessen
19:30Präsentation von „111 Orte in Südtirol, die man gesehen haben muss” Sabine Gruber
21:00Hörspielabend: “Bis dass ein Tod” - ein Hörspiel von Sabine Gruber (mit Einleitung)
Sonntag, 16. November 2014
09:30„Stillbach” oder die Orientierung im Verschwinden Sugi Shindo
10:00Poetische Verarbeitung der Südtiroler Diskrepanz zwischen Sehnsucht und unsteter Zugehörigkeit - Sabine Grubers Roman „Stillbach oder Die Sehnsucht” Masanori Manabe
11:00Erinnerung in Sabine Grubers „Stillbach oder Die Sehnsucht” Erich Meuthen
11:00Podiumsdiskussion Sabine Gruber
11:30Vierte Lesing
12:00Schlussworte